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Manipulation und “Veredelung”

In diesem Abschnitt möchte ich auf einige gebräuchliche Methoden der Musikindustrie eingehen die bei der Manipulation von Studioaufnahmen Anwendung finden.

Leider hat, ich behaupte mal in über 99% aller Aufnahmen mit denen wir unsere Anlage füttern, die Musik auf dem Tonträger kaum noch etwas mit live gespielter Musik zu tun. Der Grund liegt darin, dass die Aufnahmen nachträglich "optimiert" werden und nur auf weiten Umwegen und unter vielfältiger Beeinflussung zum Tonträger finden. Das ist erst mal noch nichts Verwerfliches. Sich vorab viele Gedanken zu machen bezüglich der Mikrofonierung, des Arrangements der Musiker und auch des passenden Einsatzes von Effektgeräten kommt der Aufnahme sicherlich zu Gute. Wobei die Musik durch den Einsatz jedes Effektes etwas von ihrem Live – Charakter verliert, was die Aufnahmen zwar in mancher Hinsicht „perfekt“ erscheinen lässt dafür aber, ganz persönliche Meinung, auch mit jedem Schritt an „Leben“ verliert und stückweise steriler wird. Dabei liegen diese Manipulationen bei einem extrem geringen Prozentsatz der am Markt befindlichen Produktionen. In den meisten Fällen werden die Effektgeräte und monströsen Mischpulte dafür eingesetzt, das auszubügeln was vorher, eben ohne aufwendige Planung und Vorarbeit, billig aufgezeichnet wurde. Und aus einer billigen Aufnahme wird nie wieder, egal wie viel HighTech eingesetzt wird, eine beeindruckende Produktion. Dazu kommt noch, dass sehr viele Produktionen, eigentlich die Allermeisten, absichtlich die Qualität (das was ich als Qualität bezeichne) unten halten!

 

Warum wird das gemacht?
- Zum Einen ist es billiger einen Tontechniker zu beschäftigen der alle Mängel ausbügelt als eine Band oder ein ganzes Orchester über Stunden oder Tage mit einer Aufnahme zu beschäftigen. Im Nachhinein ein paar Regler zu bedienen ist viel leichter als eine Aufnahme in einem Stück, fehlerfrei und wenn es sein muss durch vielfache Wiederholung auf einen Master zu bringen.
- Zum Anderen sollen alle Stücke auf einer CD die selbe Qualität und Charakteristik haben. Dazu werden die Aufnahmen so lange mit Filtern und allen möglichen Arten von Klangreglern malträtiert bis sie von A-Z gleich klingen. Das Ergebnis ist zwar Etwas was sich durch Konstanz auszeichnet, dafür aber vollkommen ohne „Leben“ daher kommt. Ähnlich einer sterilen Klinikpackung. Alte Life – Mitschnitte aus der „vordigitalen“ Zeit, die zwar etwas rauschen, dafür aber nicht durch eine Flut von Filtern „kastriert“ worden sind, können zu einem echten Erlebnis werden, das einen das Rauschen vergessen lässt. Das einen die Lebendigkeit, die Atmosphäre und Power des Konzertes (wieder-)erleben lässt. Das soll keine Kritik an der Digitaltechnik sein! Diese kann sehr effizient und zielführend  eingesetzt werden. Doch leider geht ihr Einsatz (sehr!) weit über das sinnvolle Maß hinaus. (Sofern sich sinnvoll auf hohe Qualität bezieht. Für sinnvoll als Synonym für möglichst billig stimmt das natürlich nicht).
Solche Filter- und Nachbearbeitungsorgien haben ein paar klare Vorteile. Zumindest für die Musikindustrie, nicht zwingend für den Hörer.

Um einen Hit in die Charts zu bringen muss er auffallen. Vor allem im Radio. Hier fällt man am besten mit Lautstärke auf. Ziel ist also das eigene Musikstück lauter, oder zumindest nicht leiser, erscheinen zu lassen als die Anderen. Hier kommen Kompressoren zum Einsatz. Wie der Name schon sagt wird hier komprimiert, nämlich die Dynamik (einfach Ausgedrückt der Unterschied zwischen dem leisesten und dem lautesten Ton). Komprimierung heißt, dass hohe Pegel etwas abgesenkt und gleichzeitig niedrige Pegel etwas angehoben werden. Dadurch wird das ganze Spektrum gestaucht und kann dann insgesamt höher ausgesteuert werden. Die unten stehenden Bilder zeigen das Ergebnis einer 3:1 - Kompression. Im ersten Bild erkennen wir das Original, im zweiten das Ergebnis des Kompressors (Die Farben blau und rot markieren jeweils den linken und rechten Kanal).

So wie sich das Bild für unser Auge darstellt, wirkt es auch auf unser Ohr:

Was unser Auge als mehr Volumen wahrnimmt, wirkt auf unser Ohr als Lautstärkeerhöhung.

=> Ziel erreicht!

 

 

Natürlich können Kompressoren auch sinnvoll eingesetzt werden. Eine Aufnahme ohne jede Kompression wäre nicht immer praktikabel. Um dies zu verdeutlichen eine kleine Übersicht über die Dynamik verschiedener Instrumente:

 

Sprache

15 - 20 db

Gesang

40 - 50 db

Streichinstrumente

30 - 35 db

Holzblasinstrumente

30 - 35 db

Blechblasinstrumente

40 - 50 db

Klavier

40 - 50 db

kleines Orchester

30 - 40 db

großes Orchester

50 - 70 db

 

Die Tabelle zeigt, dass für eine originalgetreue Wiedergabe ein Dynamikumfang von bis zu 70 db nötig wäre. Hier stoßen wir allerdings an ein paar alltägliche Grenzen.

Wir müssen davon ausgehen, dass in einem Standardhörraum wie unserem Wohnzimmer ein ständiger Pegel von ca. 35 - 40 db herrscht. Alle Pegel unserer Aufnahme die darunter liegen, würden in diesem Störpegel untergehen. Wenn wir in einem Mehrfamilienhaus wohnen stellen höhere Pegel wiederum einen Störpegel für unsere Nachbarn dar. Bei einer Wanddämpfung von 40 - 50 db nach DIN 4109, ergibt sich also ein nutzbarer Maximalpegel von 75 - 85 Dezibel. Für den echten Musikgenuss verbleibt also eine Dynamik von 40 - 50 Dezibel.

Um diese Werte zu erreichen kommen unterschiedlichste Manipulatoren zum Einsatz. Hier eine kleine Liste:

 

Limiter:
Der Limiter schneidet alles oberhalb der eingestellten Frequenz ab. Das Signal darunter bleibt unberührt. Er dient der Klangsteuerung und dem Verhindern von Übersteuerungen.

Kompressor:
Der Komnpressor hebt kleinere Pegel an und / oder senkt höhere Pegel ab (letzteres hier im Bild). Er dient der Dynamikeinengung und Klangsteuerung.

Noise Gate:
Das Gate sperrt alles unterhalb eines bestimmten Pegels. Es dient der Klanggestaltung und dem Ausfiltern von Rauschen.

Filterkombination:
Alle Filter können natürlich unbegrenzt miteinander vermischt werden. Hier im Bild ein Expander (senkt kleine Pegel weiter ab) ein Limiter und ein Gate.

 

Leider schießt die Musikindustrie weit über die von mir als sinnvoll erachteten Eingriffe hinaus. Ich gehöre mit meiner Liebe zu audiophieler Musik und der Bereitschaft dafür auch mehr Geld auszugeben leider  nicht zur Zielgruppe sondern zu einer Minderheit. Die große Musikindustrie stimmt aber ihr Programm nicht auf Minderheiten sondern auf den Massenmarkt ab. HiFi - Anlagen werden nicht beim Fachhändler, sondern im “super billig ...”-Markt gekauft. Und nicht Qualität, sondern Geiz ist geil. (Ja, ich kann diesen Werbespruch nicht ausstehen! Sich was Edles zu gönnen finde ich geil! Geiz ist erbärmlich) All diese Anlagen (ich lasse hier den Begriff HiFi bewusst weg) sind nicht in der Lage ein dynamikreiches Musikstück vernünftig wiederzugeben. Somit kommt die übertriebene Kompression den Billiganlagen zu Gute, da die hohen Pegelsprünge, die sie eh nicht reproduzieren können weg fallen und die Wiedergabe, zumindest hier, gewinnt. Dass aber von den vernünftigen 40 - 50 db Dynamik nur noch 5 - 10 db übrigbleiben verärgert Jeden, der über eine gute Wiedergabekette verfügt.
Um ein wenig plakativer zu beschreiben wie weit diese Eingriffe gehen, eine kleine Geschichte:
Ein Maler (Musiker) hat sich gerade mehrere Wochen damit beschäftigt Bilder (Songs) zu malen (komponieren). Jetzt hält er seine Werke für so gut sie der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dazu wendet er sich an einen Galleristen / Bilderrahmenhersteller (Tonstudio). Hiefür wählt er einen Galleristen (Tonstudio) seines Vertrauens, da dem rein technischen Umsetzen einer Präsentation seiner Bilder (Songs) auch ein gewisser künstlerischer Aspekt anhängt. Der Gallerist (Tonstudio) hat durch die Auswahl der Rahmen und deren Anordnung (vernünftige Eingriffe in die Dynamik und Ähnliches) ja einen erheblichen Einfluss auf die Wirkung seiner Werke. Der Gallerist (… ab hier lasse ich die Verweise auf die Musikwelt weg. Der interessierte Leser wird die Parallelen selbst herstellen können) beginnt mit seiner Arbeit.
 Zuerst werden alle Bilder eingescannt. Er sieht sich die Bilder an und stellt fest, dass einige einen sehr hohen Kontrast aufweisen. Mit Rücksicht auf die Vielzahl von Kunden, die nur über mittelmäßige bis schlechte Augen verfügen, mit denen sie in den Kräftigen Farben keine Einzelheiten mehr erkennen können, wird am Regler des Bildbearbeitungsprogramms erst mal Kontrast raus genommen. Eine in Pastellfarben gemalte Küstenlandschaft passt nicht so ganz zu den Anderen Werken, also wird über den „sharpen“ – Regler nachgeschärft und dann noch dem Meer ein wenig mehr blau hinzugefügt. Ein Teil eines anderen Bildes links vorne gefällt dem Galleristen gar nicht. Er vermutet, dass seine Kunden ähnlich reagieren und übermalt es kurzerhand mit Bildfragmenten aus einem anderen Bereich. Ein anderes Objekt im Hintergrund dagegen hält er für so gut, dass er es mit dem Bildbearbeitungsprogramm vergrößert und weiter in den Vordergrund setzt. Jetzt noch einen leichten Rotstich über alle Bilder, da dies dem aktuellen Trend entspricht und zum Schluss noch alle Bilder über den „Zoomregler“ auf das gleiche Format gebracht, damit sie in seine Einheitsrahmen passen.
Absurd? Und wie! Kein Maler, egal ob weltberühmt oder noch völlig unbekannt würde sich das gefallen lassen. In der Musikindustrie ist das völlig normal.
Kein Kunstliebhaber würde sich diese Bilder kaufen und sich dafür interessieren wer das Bild vertreibt (verschandelt). Musikliebhaber dagegen kaufen jeden Sch…, weil sie entweder gar nicht wissen was ihnen da vorgesetzt wird oder am Mangel wirklich guter Ware einfach kapitulieren.

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Nebenbei: Solche Aufnahmen, vor allem wenn sie anschließend über eine Billiganlage oder über portable Geräte abgespielt werden, kann man auch ohne Reue durch einen MP3-Encoder jagen. Selbst der kann hier kaum noch was verschlechtern. Daher auch die weit verbreitete Meinung, dass MP3-Files das Musiksignal nicht oder nur kaum hörbar verändern. Mehr dazu unter
Qualitätsgedanken.

Ich denke, dass sich die Musikindustrie ihre Probleme mit illegalen Downloads, zumindest zum Teil, selbst geschaffen hat, da die Raubkopie im MP3-Format ja nicht, bzw. nur wenig schlechter ist als das billig produzierte Original.
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Glücklicherweise sind solche Manipulationen nicht immer gleich stark ausgeprägt. Wer gerne Klassik oder Jazz hört, hat deutlich bessere Chancen gute Aufnahmen zu bekommen als der Hörer moderner POP - Musik. Hier sind die genannten Effekte leider fast bei 100% der Aufnahmen anzutreffen. Hier wird auch viel selektiv komprimiert. Verschiedene Instrumente haben sehr unterschiedliche Dynamikbereiche. Siehe Tabelle oben.  Um diese einander anzugleichen werden die Instrumente unterschiedlich komprimiert. Somit kann das gesamte Musikstück dann höher ausgesteuert werden.  Um den Sound eines Schlagzeuges "fetter" zu machen wird schon mal mit Faktor 1:10 oder 1:16 komprimiert. Auch die Stimme wird in ihrer Dynamik stark begrenzt.

Das Ergebnis ist, wie im obigen Bild schon gezeigt, ein “satterer” Klang, der durch seine Anspruchslosigkeit auf einfacheren Anlagen noch brauchbar klingt. Auf guten Anlagen wirkt das Ganze dafür leblos und langweilig. (Das tut es auf einer einfachen Anlage auch! Jedoch würde Diese, sauber aufgezeichnete Musik so stark verzerren, dass die aufgedickte Version deutlich besser erscheint).

Die oben gezeigten Bilder sind ein ganz kurzer Ausschnitt des Titels ALL YOUR LOVE aus dem Album "Water Falls" von Sara K. Produziert wurde das Album von Stockfisch-Records, einem Label, das sich auf Gitarrenmusik und audiophiele Musikaufnahmen spezialisiert hat. Wer Musik (fast) ohne den eingangs genannten Firlefanz hören will, kann hier zu jedem beliebigen Tonträger greifen ohne enttäuscht zu werden. (Ich habe ein fast in Klammern gesetzt, da ich persönlich den Kompromiss aus „perfekt-sauber-rauschfrei“ und „lebendig“ eher zu Gunsten Letzteren verschoben hätte. Trotzdem sind die Aufnahmen weit über Durchschnitt und meine „Kritik“ mehr ein „Jammern auf hohem Niveau“).
Um einen hörbaren Eindruck davon zu bekommen wovon ich hier rede habe ich ein 28 Sekunden Stück aus genanntem Titel ausgekoppelt und einmal unverändert und einmal mit einem 3:1 Kompressor bearbeitet (davon die Bilder) zum Download abgelegt. Da ich natürlich nicht im Besitz des Masters bin konnte ich das Stück nur als Ganzes komprimieren statt, wie üblich, für jedes Instrument mit einem anderen Faktor. Deswegen, und wegen der nur geringen Komprimierung von 3:1, sind die Auswirkungen immer noch weit harmloser als die von billigen Produktionen. Auf einer guten HiFi – Anlage trotzdem sofort zu hören.
In einem ersten Versuch habe ich neben der Kompression auch ein Noise-Gate und einen Limiter eingesetzt. Allerdings wollte ich mich nicht dem Vorwurf der Übertreibung aussetzen und bin deshalb bei dem Kompressor geblieben. Ich habe die .wav - Dateien als Audio-CD gebrannt und einmal an meinem Diskman, dann an einer tragbaren Anlage und zuletzt an meiner HiFi-Anlage getestet. Am Diskman war kein Unterschied zu hören, der Ghettoblaster hat durch einen kräftigeren Bass am Ende der Sequenz sogar, wenn auch nur sehr gering (und auch nur bei höheren Pegeln), profitiert. Die HiFi-Anlage hat am Original gezeigt, dass eine unbehandelte Aufnahme wirklich Spaß macht und die komprimierte Version einfach nur schlecht ist. Bitte nicht missverstehen! Auf einer  guten Anlage klingt es immer besser als auf einer weniger Guten. Allerdings erkennt man als Besitzer einer überdurchschnittlichen Wiedergabekette, wenn aus einer vorliegenden Aufnahme eigentlich mehr zu holen gewesen wäre.
Da ich mit den Files die Auswirkung der Komprimierung zeigen möchte ohne andere Randerscheinungen mit einzubeziehen, kann ich natürlich kein MP3 (Zu Demozwecken oder für portable Geräte völlig in Ordnung) oder Ähnliches anbieten. Die Dateigröße (2 x 4 MB) ist entsprechend und damit nur was für DSL - Anschlüsse. Trotzdem viel Spaß beim testen.

Mit freundlicher Genehmigung von Stockfisch Records http://www.stockfisch-records.de :

Original und nach Kompression.

Zum Schluss noch ein paar Bilder zum verdeutlichen:

Links im untenstehenden Bild ein Screenshot eines Bluesstückes.
Rechts ein typischer Vertreter aus dem Hardrockbereich.

 

 

Links unten ein Beispiel aus der Klassik.
Rechts unten Gitarrenrock.

 

 

Das Hardrockbeispiel rechts oben ist sicherlich am lautesten. Doch genau wie das Bild auf unser Auge, so wirkt die Musik auf unser Ohr eher langweilig Soll keine Hardrock-Kritik sein! Ist schließlich ein Beispiel von einer meiner CDs. (Auch wenn ich so was nur noch sehr selten höre)

Ich empfehle allen einfach mal (wieder) ein Klassikkonzert, einen Jazzkeller eine Kleinkunstbühne oder Ähnliches zu besuchen. Hauptsache die Musik wird ohne Verstärker oder sonstige Elektronik dargeboten. Zum einen schult das das Gehör für natürliche Musikwiedergabe, zum anderen empfinde ich das als echtes Erlebnis. Dieses Erlebnis über die HiFi Anlage ins eigene Heim zu transportieren sollte erklärtes Ziel der Musikindustrie sein. Doch leider sind wir davon, trotz (oder eventuell wegen) aller moderner technischer Möglichkeiten, so weit entfernt wie noch nie.

 

Werner Konrad.

 

 

 

Artikel überarbeitet
am: 10.10.2006