Verzerrungen

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Verzerrungen (bei Verstärkern)

Bei meinen Betrachtungen über Endstufen habe ich das Thema schon einmal angerissen. Hier jetzt eine etwas ausführlichere Behandlung.

Was sind Verzerrungen?
Bei Verstärkern spricht man von Verzerrungen wenn das Eingangssignal nicht nur verstärkt, sondern in irgendeiner Weise verändert wird. Sie unterteilen sich in lineare und nichtlineare Verzerrungen.
Lineare Verzerrungen
beschreiben eine Ungleichbehandlung verschiedener Frequenzen bezüglich Verstärkung und Phase. Sie drücken sich aus in Amplitudenverzerrungen und Laufzeitverzerrungen.

Amplitudenverzerrungen
ergeben sich durch unterschiedliche Verstärkung verschiedener Frequenzen. Sie können, wenn angegeben, am Frequenzgang des Verstärkers abgelesen werden. Die Angabe 1Hz – 100 kHz +/- 1db würde beispielsweise bedeuten, dass der Amp über den angegebenen Bereich Schwankungen in der Verstärkung von plus / minus einem Dezibel aufweisen kann.

Das Bild zeigt den Frequenzgang eines Verstärkers

Hier ist ein kleiner Ausschnitt vergrößert dargestellt


Laufzeitverzerrungen
ergeben sich durch ein zeitliches Verschieben von Eingangs- zu Ausgangssignal das nicht für alle Frequenzen gleich groß ausfällt. Das heißt, dass manche Frequenzanteile in einem größeren / kleineren Winkel verschoben am Ausgang ankommen als andere.
 

Eingangssignal und zeitverstztes Ausgangssignal

 

Nichtlineare Verzerrungen
werden durch alle Halbleiterbauteile erzeugt. Vor allem Transistoren arbeiten nur in einem kleinen Bereich annähernd linear. Wird Dieser, z.B. bei höheren Leistungen, verlassen steigen die Verzerrungen stark an. Die nichtlinearen Verzerrungen unterteilen sich in nichtharmonische und in
Harmonische Verzerrungen
Beim Durchlaufen des Verstärkers wird ein Eingangssignal durch die nicht linear arbeitenden Bauteile „verbogen“. Dieses Verbiegen entspricht einem Hinzufügen neuer Frequenzanteile. Die ganzzahligen Vielfachen der Grundschwingung werden Harmonische genannt. Ein Sinussignal der Frequenz f0 erhält durch das Gerät neu generierte Anteile 2f0, 3f0, 4f0 … 9f0. Die Grundschwingung wird als erste Harmonische bezeichnet. Die Weiteren entsprechend als zweite, dritte Harmonische usw. Diese Oberwellen werden mit k2, k3, k4 … k9 bezeichnet. Das Verhältnis der Effektivwerte dieser Oberschwingungen zum Gesamteffektivwert wird als Klirrfaktor bezeichnet. Alle anderen Verzerrungen haben mit dem Klirrfaktor nichts zu tun. Die englische Bezeichnung für den Klirrfaktor THD für Total Harmonic Disortion beschreibt es etwas unmissverständlicher.
Der Klirrfaktor ist stark Frequenz- und vor allem Leistungsabhängig. Die, vor allem bei billigeren Geräten übliche, Angabe des Klirrfaktors ohne die Information bei welcher Leistung und Frequenz er ermittelt wurde ist praktisch wertlos.
Für den Klang ausschlaggebend ist nicht nur die Höhe des Klirrfaktors sondern auch dessen spektrale Zusammensetzung. Als Beispiel möchte ich hier die Röhrenverstärker erwähnen deren Klirrfaktoren weit höher liegen als die von Transistorverstärkern aber dennoch als sehr angenehm im Klang empfunden werden. Kurioserweise klingen die Röhren nicht trotz des hohen Klirrfaktors angenehm warm sondern wegen des hohen Klirrfaktors. Dieser ist, bedingt durch die Röhre, für unser Ohr angenehm verteilt.
Beispiel:
Eine Frequenz von 100 Hz wird in den Verstärker eingespeist. Es entstehen Oberwellen in ganzzahligen Vielfachen der Grundschwingung.
100    200    300    400    500    600    700    800    900
Unser Ohr arbeitet nicht linear sondern ist am empfindlichsten in Oktavschritten, also für Verdoppelungen. Stellen wir Diese den Harmonischen gegenüber, ergibt sich folgendes Bild:
100    200    300    400    500    600    700    800    900
100    1. Oktave      2.Oktave                                 3.Oktave
Die zweite Harmonische k2 bei 200 Hz fällt mit der ersten Oktave zusammen. Sie wird von uns daher als angenehm empfunden. Eine große k3, die zwischen den Oktaven liegt, empfinden wir als unangenehm. Der angenehme Klang von Röhrenverstärkern kommt also von der, durch die Röhre hervorgerufenen, günstigen Verteilung der Harmonischen. Das soll kein Lobgesang auf Röhrenamps werden, denn diese haben dafür andere klare Nachteile, die aber nicht zu diesem Thema gehören.
 

Fazit:
Durch die alleinige Angabe des Klirrfaktors kann ein Verstärker nicht mit einem Anderen verglichen werden, da die Spektrale Zusammensetzung des Klirrfaktors mindestens einen genau so hohen Einfluss auf den Klang hat wir dessen Größe.

Nichtharmonische Verzerrungen
sind die Verzerrungen, die in einer Disharmonie mit dem Eingangssignal stehen. Also neu hinzugekommene Frequenzen die zwischen den Harmonischen liegen.  Zu ihnen gehören die Intermodulationsverzerrungen. Ein Musiksignal besteht aus einer Mischung vieler unterschiedlicher Frequenzen. Am Ausgang des Verstärkers finden sich neben den Eingangskomponenten auch Signale, die durch Summen- bzw. Differenzbildung der am Eingang gleichzeitig anliegenden und in ihrer Amplitude unterschiedlichen, Frequenzen entstanden sind.
Beispiel: Es werden die Frequenzen, 500 Hz und 1200 Hz übertragen. Der Verstärker bildet daraus die zusätzlichen Signale 700 Hz (Differenzsignal) und 1700 Hz (Summensignal). Diese sind zwar deutlich kleiner als die beiden Eingangssignale, wirken sich aber auf das Ausgangssignal aus. Der Quotient aus Effektivwert des Intermodulationssignals und Effektivwert des Nutzsignals wird Intermodulationsfaktor genannt. Er wird in Prozent oder Dezibel angegeben. Leider wird der Intermodulationsfaktor nur selten angegeben obwohl die Signalanteile, die in Disharmonie zum Nutzsignal stehen (siehe oben) schnell unangenehm auffallen.
Allgemein ist die Höhe von Verzerrungen abhängig von der Qualität der verwendeten Bauteile und vom Schaltungsdesign. Qualität hat auch hier ihren Preis. Sowohl das Selektieren hochwertiger und zueinander passender Bauteile sowie die Entwicklung eines auf diese Bauteile abgestimmten Schaltungsdesigns kosten Geld. Ein billiges Produkt kann nicht gut sein! Egal was uns Werbung oder so manche „Elektronikexperten“ weiß machen wollen. Einen Rolls Royce gibt’s auch nicht zum Preis eines Golf. Die Entwicklungskosten und das Material müssen einfach irgendwie bezahlt werden.

 

Werner Konrad

 

 

 

Artikel erstellt
am: 08.03.2006